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Mobile Computing und drahtlose Netzwerke

Ein Teil unseres Alltags


Von Ilias Michalarias

Wer vor einem Jahrhundert mit seinen nach Übersee ausgewanderten Verwandten kommunizieren wollte, der brauchte vor allem eins: viel Geduld. Ein einfacher Briefwechsel konnte mehrere Wochen dauern. Mit dem technischen Fortschritt hat sich dies geändert: Eine E-Mail ist mit einem Mausklick abgeschickt und landet kurze Zeit später am gewünschten Ort. Die Entwicklungen der Kommunikationsnetzwerke schaffen heute nahezu unbegrenzte Möglichkeiten: Nachrichten überwinden in kürzester Zeit die größten Entfernungen.

Wer heute eine andere Person erreichen will, verfügt über zahlreiche Möglichkeiten: Via Telefon, E-Mail oder SMS erreicht man den gewünschten Teilnehmer – selbst auf der anderen Seite der Erde. Andere Mittel sind dafür dem technischen Fortschritt zum Opfer gefallen: So kann man beispielsweise in Österreich und Deutschland keine Telegramme mehr aufgeben.

Der Bedarf an Informationsaustausch scheint ständig zu steigen – die Schlagworte der modernen Kommunikationswelt heißen Flexibilität und Mobilität. Haben einst drahtgebundene Netzwerke die Verbindung von Computern ermöglicht und den Datenaustausch revolutioniert, so setzt sich nun ein neuer Trend durch: die drahtlosen Kommunikationsnetzwerke.

Die Idee ist nicht neu. Schon in den 1960er Jahren wurde an der Universität von Hawaii ein experimentelles Funknetzwerk namens „Aloha“ entwickelt. Es ist Grundlage der heute meistgenutzten drahtgebundenen Netzwerktechnik, dem sogenannten Ethernet. Ziel von „Aloha“ war es, die Kommunikation zwischen den Inseln Hawaiis zu ermöglichen. Bis zu ersten kommerziellen Funklösungen dauerte es aber noch eine ganze Weile: Erst Anfang der 1990er Jahre wurden sie auf den Markt gebracht. Obwohl sich diese Technik damals noch im Anfangsstadium befand, lagen die Vorteile auf der Hand: Daten konnten ohne festen Netzanschluss, also ortsunabhängig, ausgetauscht werden. Mittlerweile sind die drahtlosen Netzwerke sogar für hoch komplexe Aufgaben geeignet. Drei Anwendungsgebiete stehen dabei im Mittelpunkt:

1. Mobiltelefonie: Mobiltelefonie wird oft auch mit dem Begriff Mobilfunk beschrieben. Ein Mobilfunknetz deckt riesige Flächen ab. Die meistgenutzten Mobilfunkstandards sind GSM (Global System for Mobile Communications) und UMTS (Universal Mobile Telecommunications System).

2. Drahtlose lokale Netze: WLAN ist die Abkürzung für Wireless Local Area Network. Es kann auf zwei Arten betrieben werden: im Infrastruktur-Modus und im Ad-hoc-Modus. Im Infrastruktur-Modus wird eine Basisstation – häufig ein Wireless Access Point (AP) – genutzt, um die einzelnen Netzknoten zu verbinden. In Mobile Ad Hoc Networks (MANETs) ist keine Station als zentraler Verbindungsknoten festgelegt: Alle Teilnehmer können das Netz gleichberechtigt nutzen. Ad-hoc-Netze lassen sich schnell und ohne großen Aufwand aufbauen. Es ist in ihnen allerdings nicht vorgesehen, dass Informationspakete weitergereicht werden. So kann es vorkommen, dass ein Computer am Randbereich das gesamte Netz erreichen kann, ein physisch zentral platzierter Computer jedoch nur einen Teil des Netzes.

3. Wireless Personal Area Network: Ein Netzwerk, das für die Vernetzung kleinerer Geräte konzipiert ist, wird Wireless Personal Area Network (WPAN) genannt. In WPANs haben die kommunizierenden Geräte meist keine große räumliche Distanz zueinander und müssen deshalb nicht die Reichweite eines WLAN erreichen. Als wichtige Vertreter von WPANs haben sich IrDA (Infrared Data Association) und Bluetooth etabliert. IrDA basiert auf Infrarot-Übertragung im Wellenlängenbereich von 850 bis 900 Nanometer und überbrückt nur kurze Reichweiten. Bluetooth ist ein wesentlich jüngeres Verfahren und basiert auf der Funkübertragung.

Mobilfunknetze decken heute riesige Flächen ab
Foto: Maria Parecker, Fotolia

Eines haben alle drahtlosen Anwendungen gemein: Um sie nutzen zu können, braucht man mobile Endgeräte. Die Bandbreite dieser Geräte reicht von kleinen Spezialgeräten bis hin zu Computern mit der Leistungsfähigkeit stationärer Rechner. Bordcomputer beispielsweise verrichten in Fahr- und Flugzeugen, Schiffen, Raumfahrzeugen und Satelliten ihren Dienst und sind dort fest installiert. Handhelds sind kleine mobile Computer, die über reduzierte Leistungsfähigkeit verfügen. Wearables sind tragbare Computersysteme und werden am Körper getragen.

In den letzten Jahren sind Sensornetzwerke in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. Ein Sensornetzwerk besteht aus mehreren etwa handflächengroßen Computern, sogenannten Sensorknoten. Sie sind mit Sensoren ausgestattet und bewältigen ihre Aufgaben durch Zusammenarbeit. Die zunehmende Miniaturisierung von Computern führte zu der Idee, diese kleinen, kostengünstigen und autonomen Knoten zu entwickeln. Sie kommunizieren drahtlos und organisieren sich selbstständig. In großer Zahl und in einem großen Gebiet eingesetzt, überwachen sie ihre Umgebung, bis ­ihre ­Energiereserven erschöpft sind. Sensornetze sind vielseitig einsetzbar, beispielsweise als preiswerte Alter­native zu Sensoranordnungen wie etwa bei Testfahrten der Fahrzeugindustrie.

Alle beschriebenen Technologien sind Mosaiksteine bei der Umsetzung der Vision des Mobile Computing, der Vision einer Allgegenwart von Informationsverarbeitung im Alltag. Mobile Computing hat das Potenzial, unsere Gesellschaft stärker zu verändern als die bestehenden technischen Verfahren.

Informationsdienste und deren Anwendung

Die Vision des Mobile Computing geht weit über die Mobiltelefonie und sprachliche Kommunikation hinaus. Der Austausch von Informationen hängt beim Mobile Computing stark von den technischen Möglichkeiten der Geräte und dem Interesse der Benutzer ab. Viele der heutigen Geräte empfangen, verarbeiten und erzeugen Informationen. Hauptsächlich werden sie jedoch betrieben, um Informationen zu konsumieren, wie die Tabelle auf Seite 89 zeigt. Mobile E-Mails sind beispielsweise eine sehr verbreitete Anwendung. Trotzdem verwenden Benutzer ihre Geräte eher zum Lesen von E-Mails als zum Senden. Künftig wird das Gerät entweder aktiv (durch Befehl des Benutzers) oder passiv (automatisch, zum Beispiel durch geeignete Software) Informationen erzeugen, die von anderen Benutzern konsumiert werden. Diese Informationen werden entweder zentral gespeichert oder im Ad-hoc-Modus zwischen Benutzern ausgetauscht.

Dadurch wird eine große Datenmenge erzeugt. Ein Austausch dieser Daten ist nur dann sinnvoll, wenn die darin enthaltenen Informationen für den Empfänger von Nutzen sind. Die Gefahr von Spamming, der Belästigung mit unerwünschten Daten, ist groß und sehr ernst zu nehmen: Wenn ein Nutzer ständig mit Informationen überflutet wird, die ihn nicht interessieren, wird er eines Tages vielleicht auch einen eigentlich erwünschten Dienst aufkündigen.

Dr. Tomasz Imielinski, Professor für Informatik an der Rutgers University, entwarf eine Vision des Mobile Computing: Jane ist begeisterte Konzertgängerin und verabredet sich mit ihrem Freund zu einem Konzert. Die Straßen sind an diesem Abend glatt, doch eine Nachricht auf dem Armaturenbrett warnt 200 Meter vor einer gefährlichen Stelle. Die Nachricht wurde von einem nahe gelegenen Gerät gesendet, das Daten sammelt, die von Reifen-Sensoren stammen. Jane empfängt die Warnung und bremst. Als Nächstes benutzt sie eine Sprachschnittstelle, um den schnellsten Weg zu ihrem Ziel zu erfahren. Ein lokaler Anbieter verknüpft die Zeiten, die eine Vielzahl von Fahrzeugen gemeldet hat, berechnet die mittlere Fahrzeit und schlägt eine geeignete Route vor. Aufgrund eines Unfalls muss Jane jedoch einen anderen Weg wählen – die alternative Route wird ihr ebenfalls vom lokalen Anbieter vorgeschlagen. Kurz vor ihrer Ankunft fragt Jane freie Parkplätze ab. Ein weiteres Gerät, das die Belegung einer Garage kontrolliert, informiert Jane, dass in einer nahe gelegenen Garage noch drei Parkplätze frei sind. Magnetische Sensoren am Eingang und Ausgang der Garage machen das möglich. Janes Freund reist mit dem Bus an. Durch Sensoren an jeder Haltestelle erfährt Jane genau, wann er ankommt. Die beiden treffen sich, wissen allerdings nicht genau, wo sich der Club befindet. Glücklicherweise hat der Veranstalter Hinweise auf einem weiteren Gerät hinterlegt, die Jane über ihren sogenannten Personal Digital Assistant (PDA) – einen kleinen tragbaren Computer – abfragt.

Noch mag solch ein Beispiel futuristisch klingen. Tatsächlich werden aber schon heute mittels Sensoren massenhaft Daten gesammelt – auch wenn man sich über deren Nutzung noch nicht im Klaren ist. Es bleibt die Frage, ob in Zukunft Geschäftsmodelle entworfen werden, die eine Nutzung ermöglichen.

Die Industrie wird die treibende Kraft auf dem Weg zur Umsetzung der Vision des Mobile Computing sein. Obwohl die Vision von der umfassenden Integration von Informationen in vielen Objekten steckt, werden die Entwicklungen vor allem von Unternehmensbedürfnissen vorangetrieben. Lou Gerstner, IBM-Chairman von 1993 bis 2002, hat einst seine Vision so beschrieben: „Eine Milliarde Menschen kommuniziert mit einer Million e-Businesses durch eine Trillion miteinander verbundener intelligenter Geräte ...“ Kurz: Jedes Unternehmen muss heutzutage die neuen Entwicklungen im Kommunikationsbereich berücksichtigen, um konkurrenzfähig zu bleiben. Dies gilt vor allem für Global Player, die ihre Geschäftsprozesse an vielen Orten betreiben.

Weltweit auf Informationen und Daten zugreifen – die neue Technik macht es möglich
Foto: photocase

Unternehmen verwenden die drahtlose Kommunika­tion derzeit vor allem als internes Kommunikationsmittel. Kommunikationsmöglichkeiten mit den Kunden gibt es natürlich auch: Sie werden die Geschäftsbeziehungen zusätzlich beeinflussen, etwa das sogenannte Customer Relationship Management oder das Supply Chain Management. Da viele Mitarbeiter von Großunternehmen ständig zahlreiche neue Informationen empfangen, bearbeiten und senden müssen, sind sie darauf angewiesen, jederzeit auf relevante Daten zurückgreifen zu können. Die dafür erforderliche Datenlogistik ist eine Herausforderung – insbesondere, wenn man berücksichtigt, dass viele Mitarbeiter häufig unterwegs sind und Unternehmen ihren Sitz an mehreren Standorten haben. Mobile Computing spielt eine wichtige Rolle, wenn etwa wichtige Geschäftstermine kurzfristig geändert und Geschäftsstrategien binnen kurzer Zeit modifiziert werden müssen. Mit geeigneter Software und entsprechender Technik können alle relevanten Daten analysiert werden – mittlerweile auch an Bord eines Flugzeugs. Kaum eine Netzwerktechnologie hat das alltägliche Leben so stark verändert wie die Mobiltelefonie. Trotzdem verspricht die drahtlose Kommunikation unser Leben weiter dramatisch zu verändern: Die Informationsgesellschaft verwandelt sich allmählich zur Kommunikationsgesellschaft.

Literatur

Imielinski, Tomasz / Badrinath, B. R.: Wireless Graffiti – Data, Data Everywhere Matters, Proceedings of 28th International Conference on Very Large Data Bases, August 20–23, 2002, Hong Kong, China

Roth, Jörg: Mobile Computing, Second Edition, dpunkt Heidelberg, ISBN 3-89864-366-2, September 2005

Schiller, Jochen / Voisard, Agnès: Location-Based Services, Morgan Kaufmann, ISBN 1-55860-929-6, 2004


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