FU Berlin

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Der bedrohte Kosmos

Epidemien im hethitischen Reich

Prof. Dr. Volker Haas

„Ich aber werde der Pein im Herzen nicht Herr; in der Seele aber werde ich der Angst nicht mehr Herr“, schreibt der hethitische Großkönig Suppiluliuma I, als auf dem Höhepunkt seiner Macht im Reich der Hethiter die Pest ausbricht. Unser Autor beschreibt wie die Hethiter ihre Götter versuchten gnädig zu stimmen.

Katastrophen der Menschheit – wie Kriege, Hungersnöte und Seuchen – sind dem hethitsch-hurritischen Mythenzyklus vom Gerstengott und Demiurgen Kumarbi zufolge Bedrohungen der kosmischen Ordnung. Der Zyklus ist eingeleitet mit einer Sukzession von vier Göttergenerationen, die nacheinander das „Königtum im Himmel“ innehaben. Es sind dies der urzeitliche Gott Alalu, der Himmelsgott Anu, der Gerstengott Kumarbi, der den Kosmos durch den Akt der Trennung von Himmel und Erde erschafft, sowie der Wettergott mit seinem hurritischen Namen TeççubTeschschub. Diese vier Götter sind die Kalenderkönige eines viergeteilten Jahres. Dem Sukzessions- und Kalendermythos, in dessen Mittelpunkt die Erschaffung des Kosmos steht, folgen weitere Mythen – „Lieder“ genannt –, in denen Kumarbi drei „Rebellen“ erschafft, die den geordneten Kosmos in das vorangegangene Chaos stürzen sollen. Diese Wesen sind der Meeresdrache Hedammu, dessen gargantuaeske Gefräßigkeit eine Hungersnot herbeiführt. Eine weitere Bedrohung ist der Steindämon Ullikummi, der in Gestalt einer riesenhaften Säule auf den Schultern des Uppeluri, dem Weltenriesen und Träger des kosmischen Gebäudes, stehend, in den Himmel hineinwächst, um den Götterkönig, den Wettergott Teschschub, vom Himmel zu stürzen und die um ihn versammelten Götter „wie Ameisen“ in den Boden zu stampfen. Als letztes Wesen zeugt Kumarbi den Silberdämon, der im „Lied vom Silber“ Sonne und Mond angreift, so dass der Kosmos in das lichtlose (die Sonne) und zeitlose (der Mondkalender) Chaos zurückzufallen droht. Die Bedrohung durch das Silber, so berichtet das „Lied vom Silber“, sei „vor langer Zeit, in der Krieg und Hungersnot herrschten“, erfolgt.

Ein hethitisches Opfer- und Entsühnungsritual für den Euphrat, als „im Lande eine Epidemie ausgebrochen war“, die vier Jahre währte, erklärt diese Störung der kosmischen Ordnung mit dem Motiv der Herrschaft eines unfähigen Gottes. Zu Beginn des Textes sind in stark beschädigtem Kontext die vorkosmischen Götter genannt, die „alle Flüsse losließen“, also eine Überschwemmung verursachten. Der folgende Absatz berichtet, dass „alle Götter den Sohn des Sonnengottes ergriffen un[d ih]n im [Lan]de zum König machten“. In wiederum beschädigtem Kontext ist von der Menschheit und von einer Epidemie im Lande die Rede. Überschwemmungen haben wegen der Bildung faulender organischer Substanzen, vor allem dem Aas ertrunkener Tiere, verschmutztes Wasser zur Folge, das Typhus, Cholera, Milzbrandvergiftung und andere schwere Erkrankungen hervorruft. Überschwemmungen führen darüber hinaus zu Rattenplagen, wobei die Pestflöhe der Wanderratten die Beulen- oder Bubonenpest übertragen.

In diesem Ritual ist der Grund der Überschwemmung die Übernahme der Weltenherrschaft durch einen unfähigen Gott – dem Sohn des Sonnengottes. Dadurch kann die kosmische Ordnung, der natürliche Rhythmus des Lebens bzw. des Jahreslaufs, nicht mehr aufrecht erhalten werden, wodurch die geordnete Welt in das Chaos zurückzufallen droht.

Die Beulenpest im Hethiterland

Bei den epidemischen Krankheiten (hethitisch henkan- und hinkan- auch mit der Bedeutung „Tod“) dürfte es sich vielfach um Krankheiten, ähnlich dem Typhus und dem Milzbrand, handeln. Das hethitische Syntagma markistawas hinkan könnte mit „Tod der Plötzlichkeit“ zu übersetzen sein; doch ist die Bedeutung des Verbums markista(i) noch ungeklärt.
In einem Orakelprotokoll finden sich Anfragen, ob für „die Person des Königs und der Königin“ während einer Epidemie zu befürchten sei, „dass das Böse den König anspringt.“
Als der hethitische Großkönig Suppiluliuma I. (um 1320 – 1290 v. Chr.) dem Gipfel seiner Macht zustrebte, erhielt er zu seiner höchsten Verwunderung ein Schreiben von Anchesenamun, der Witwe des Pharao Tutanchamon (in hethitischen Texten Nipchururiya). Die Königinwitwe teilt Suppiluliuma mit, dass ihr Gemahl verstorben sei, sie selbst aber keinen Sohn habe, der den Thron besteigen könne. Da sie keinen ihrer Untertanen zum Ehemann nehmen wolle, solle ihr Suppiluliuma einen seiner Söhne zum Gemahl geben. Nach anfänglichem Misstrauen sendet der hethitische König seinen Sohn Zananza, der jedoch auf dem Wege nach Ägypten ermordet wird. Den Mord lastet Suppiluliuma dem inzwischen auf den Thron gelangten neuen Pharao Eje an und eröffnet einen Rachefeldzug gegen das „Grenzgebiet des Landes Ägypten“, d.h. der unter ägyptischer Hoheit stehenden Biq’a-Ebene in Syrien. Von dort hat das hethitische Heer eine epidemische Krankheit in das Hethiterland eingeschleppt.

In vier verschiedenen Gebetsversionen schildert Mursili die verheerende Epidemie und bittet die Götter diesem von ihnen verhängtem Elend ein Ende zu bereiten. Wie beim Eintritt aller Katastrophen wird die Ursache des Zornes der Götter durch die Befragung der Orakel ermittelt. Mursili befragt die Orakel nach ungesühnten Verbrechen aus der Regierungszeit seines Vaters Suppiluliuma. In dem ersten Gebet verweisen sie auf einen von Suppiluliuma vor seiner Thronbesteigung begangenen Dynastiemord an dem bereits designierten Thronfolger Tuthaliya: „Und weil das Land dahinstirbt, so fiel [mir] die Sache mit dem Tuthaliya, dem Jungen, dem Sohn des Großkönigs Tuthaliya, aufs Gewissen. Auch eine Orakelanfrage veranstaltete ich bei der Gottheit. [Und da] wurde die Sache mit dem Tuthaliya, dem Jungen, von der Gottheit auch festgestellt.“ … „Mein Vater ist infolge des Mordes an Tuthaliya [gestorben]. Auch die Prinzen, Herren, Obersten über Tausend und Würdenträger, die [auf die Seite meines Vaters] getreten und darin verwickelt waren, starben infolge [dieser] Angelegenheit. Auch über das Hatti-Land kam diese Angelegenheit, und auch das [Hatti]-Land begann infolge [dieser] Angelegenheit zu sterben; und das Hatti-Land [siechte] dahin. Und jetzt wurde die Epidemie noch [schlimmer]; das Hatti-Land wurde von der Epidemie [schwer] bedrückt und es schrumpfte zusammen. Ich aber, Mursili, [euer] D[iener], [kann] nun der Pein [im Herzen] nicht [Herr werden], und in der Seele werde ich der Angst nicht [Herr].“ Um die Epidemie zum Stillstand zu bringen, so berichtet Mursili, ließ Suppiluliuma den für die Katharsis eines Hauses oder einer Stadt geeigneten „Ritus des Blutes“ ausführen: „Und mein Vater hat danach das Ritual des Blutes [gemacht; für H]attusa aber hat er keines [gemacht].“ Da das Ritual nur zur Katharsis oder Entsühnung für den Palast, nicht aber für die Stadt Hattusa und das Land vollzogen worden war, wütete die Epidemie weiter. Später dann unterzog Mursili, wenn auch vergeblich, die Stadt diesem Ritual.

Eindringlicher noch ist die Epidemie in der zweiten Version geschildert: „Das ist es, was ihr (Götter) getan habt: In das Hatti-Land habt ihr eine Epidemie hineingelassen: Und das Hatti-Land wurde von der Epidemie schrecklich bedrückt. Und dass es zur Zeit meines Vaters und zur Zeit meines Bruders dahinstarb, und dass es, seit ich der Priester der Götter wurde, jetzt weiterhin auch vor mir dahinstirbt, das ist nun das zwanzigste Jahr. Und das Sterben, das im Hatti-Lande herrscht, vom Hatti-Land wird die Epidemie noch immer nicht genommen. Ich aber werde der Pein im Herzen nicht Herr; in der Seele aber werde ich der Angst nicht mehr Herr.“ In diesem zweiten Gebet geben die neuerlich befragten Orakel als mögliche Ursache den Rachefeldzug Suppiluliumas gegen ägyptisches Territorium an. Auch hier wird ein Zusammenhang zwischen dem Euphrat und der Epidemie gesehen: „Die Riten für den Euphrat machte ich im Hinblick auf die Epidemie zum Gegenstand einer Orakelanfrage.“

In einer dritten Version ist in leider stark beschädigtem Kontext von der Infektion selbst die Rede: „[Wenn ein Mann] ein Kind zeugt, so [steckt er] es [mit den Symptomen] der Seuche [an]“ ... „[Wenn er aber] bei jemandem bleibt, so [steckt] er [ihn ebenfalls mit den Symptomen der] Seu[che an].“ In diesem Gebet hält Mursili den Göttern vor Augen, dass kaum noch Brotbäcker am Leben seien, so dass die täglichen Opferrationen nicht mehr gewährleistet sind – ein Motiv, das auch in dem oben erwähnten Mythos des gefräßigen Hedammu erscheint und den Göttern zeigen soll, dass auch ihr Wohlergehen von der opferbereiten Menschheit abhängig ist.
Bei der von Mursili geschilderten Epidemie handelt es sich wegen ihrer hohen Ansteckungsgefahr und langen Dauer wahrscheinlich bereits um die in Europa seit dem 8. Jahrhundert bekannte und gefürchtete „Syrische Pest“, die in den südslawischen Ländern als die „Türkische Pest“ bekannt war. Für den syrisch-kanaanäischen Raum sind Epidemien im 16. und 14. Jahrhundert auf Grund zweier ägyptischer Papyri bezeugt; nämlich dem Londoner Medizinischen Papyrus (ca. 1500 v. Chr.) und dem Papyrus Hearst (ca. 1350 v. Chr.). Sie bezeichnen eine Epidemie als die „asiatische Krankheit“. Ihre in den Papyri beschriebenen Symptome – eine Schwarzfärbung des Körpers (durch Blutungen), wie von Holzkohle stammend und eine rötliche Färbung des Urins – sprechen für die Beulenpest.

Massengräber fanden sich in der Kanaanäersiedlung der 13. Dynastie (ca. 1710–1720 v. Chr.) in Tell el Dab’a im Ostdelta des Nil. Die Art der Bestattung – willkürlich in flache Erdgruben ohne Einbauten und Beigaben hineingeworfene Leichen – lassen vermuten, dass die Stadt von einer Epidemie, eben jener in den Papyri beschriebenen und von der asiatischen Bevölkerung eingeschleppten Beulenpest, heimgesucht worden war.

Der Sündenbockritus

Die Seuchenbekämpfung erfolgt im wesentlichen magisch-rituell. Belegt ist lediglich das Verlassen der Städte: Ein Kaufmann aus der Hafenstadt Tyrus berichtet in einem Brief, dass er seinen Sohn beim Ausbruch der fiebrigen Epidemie (babylonisch) li’bu auf die Höhen außerhalb der Stadt gebracht habe. Ein Ritual gegen die „lib’u-Krankheit des Berges“ (in babylonischer Sprache) fand sich in den Tontafelbibliotheken von Hattusa. Auch ein hethitischer König evakuiert seine Tochter Apadda aus der Stadt Asusuha, in welcher eine Epidemie wütet.

Die aus Hattusa überlieferten Rituale gegen Epidemien betreffen zumeist die hethitischen Heerlager, sicherlich unhygienische Massenquartiere von Mensch und Vieh. Die Verfasser dieser Rituale stammen allesamt aus einer „Ritualschule“ im Lande Arzawa, im Westen Anatoliens. Die zentrale Handlung ist ein eliminatorischer Ritus mit einem Ziegenbock, die sich bereits in syrischen Ritualen aus der Mitte des 3. Jahrtausends und nach der hethitischen Zeit noch im 1. Jahrtausend v. Chr. in Palästina sowie im Buch Leviticus des Alten Testaments als der „Sündenbockritus“ wiederfindet.


Keilschrifttafel der Pestgebete des hethitischen Königs Mursili

Das Ritual des Ashella, „wenn das Jahr schlimm ist und im Heerlager eine Epidemie entsteht“, dauert eine Nacht und drei Tage. Während dieser Zeit versucht der ritualkundige Priester den Pestgott aus dem Heerlager zu locken: „Sowie der Tag zur Nacht wird“, wird für jeden der Heerführer ein Widder als Substitut und Vehikel der Pestmiasmen bereitgestellt. Für den König aber ist eine schön bekleidete und geschmückte Frau bereitgestellt, welche wohl – in Parallelität zu anderen Ritualen – als Braut für den Pestdämon vorgesehen ist. Die mit bunten Wollfäden und mit einem Ring aus Eisen und Blei versehenen Widder binden die Heerführer über Nacht vor ihren Zelten an. Der das Ritual ausführende Priester bietet sie der Gottheit, welche die Epidemie verursacht, an: „Die Gottheit, die sich erzürnt (von uns) abwendet, und die diese Epidemie bewirkt, siehe, für dich habe ich diese Widder angebunden, lass dich dadurch besänftigen!“ Parallel zu den Widdern als Substitute der Heerführer sitzt die Frau vor dem Zelt des Königs. Während der Nacht übertragen sich nun die an dem König und den Heerführern haftenden Miasmen auf die Frau und die Widder, die dadurch zu Vehikeln der Epidemie geworden sind. Bei Tagesanbruch berühren die Heerführer die Widder und preisen sie der Gottheit an: „Die Gottheit, die diese Epidemie bewirkt hat, siehe, jetzt stehen die Widder da, die sind in Bezug auf Leber, Herz und Geschlechtsteile fett. So sei der Gottheit nun das Fleisch der Menschen fortan zuwider, und künftig sei zufrieden mit diesen Widdern!“ Daraufhin treibt man die Widder und die Frau durch das Heerlager hindurch, damit sich die dort haftenden Krankheitsstoffe auf diese weiterhin übertragen. Die auf diese Weise infizierten Widder und die Frau treibt man in die Steppe: „Sie gehen in das Gebiet des Feindes hinein.“ Dabei spricht man so: „Siehe, was für ein Übel dieses Heerlager für Menschen, Rinder, Schafe, Pferde, Maultiere und Esel ist, siehe, aus dem Heerlager haben es diese Widder und diese Frau nun weggebracht. Wer sie antrifft, jenes Land soll diese böse Epidemie an sich nehmen!“ Am zweiten Tage finden Schlachtopfer statt: Man treibt sechs Widder und sechs Ziegenböcke in die Steppe und opfert sie dort mit Broten und Bier der Gottheit. Nach diesem Opfer folgt ein kathartischer Ritus: Nachdem sich die Heerführer mit (desinfizierendem) Salzwasser die Hände gewaschen haben, folgt ein Durchschreitungs- bzw. Abstreifzauber, bei dem sie durch zwei Feuerstellen hindurchgehen. Am Ende des zweiten Tages opfert man nochmals zwei Ziegenböcke und stellt Brote und Wein bereit. Am nächsten Morgen des dritten Tages treibt man einen Ziegenbock, einen Widder und ein Schwein in die Steppe, um sie dort der Gottheit als Schlachtopfer darzubringen; dabei spricht man die Gottheit an: „Die Gottheit, die diese Epidemie im Heerlager bewirkt hat, eben jene Gottheit soll nun essen (und) trinken. Dem Lande Hatti und dem Heerlager von Hatti gegenüber soll sie nun zufrieden gestellt sein und soll sich ihnen (wieder) freundlich zuwenden!“ Frühmorgens am vierten Tag beenden weitere Schlachtopfer in der Steppe die Ritualhandlungen: Ein Stier für den Wettergott, ein unbesprungenes Schaf für den Sonnengott und drei gewöhnliche Schafe für die „sämtlichen Götter“.

In der sehr kurz gehaltenen Anweisung des Rituals des Uhhamuwa ist der Eliminationsritus nicht erwähnt, vielleicht aber vorausgesetzt. Das Ritual wird mit einem einzigen Widder ausgeführt. Auch hier ist die erste Ritualhandlung das Schmücken desselben mit einem Gebinde, das man aus bunter Wolle flicht und den Widder „umkränzt.“ Ohne dass noch weitere Ritualhandlungen, wie ein zu erwartender Übertragungsritus, erwähnt würden, wird der geschmückte Widder „auf den Weg des Feindes“, d.h. ins Feindesland, getrieben, wobei man folgendermaßen spricht: „Welche Gottheit des Feindeslandes diese Epidemie verursacht hat, nun, siehe, diesen umkränzten Widder haben wir dir, der Gottheit, zum Zwecke (deiner) Zufriedenheit hergetrieben. Und wie das Geflochtene stark ist und mit diesem Widder harmoniert, so mögest du, welche Gottheit diese Epidemie auch verursacht hat, mit dem Hatti-Land (ebenso) harmonieren. So wende dich nun dem Hatti-Land zum Heile zu!“ Hier werden also Kranz und Widder in Analogie zueinander gesetzt; wie nämlich Kranz und Widder harmonieren, ebenso soll der Gott mit dem Hatti-Land harmonieren.

Gegen eine Epidemie im Heer werden in dem Ritual des Dandanku, des Schwarzen (der Name ist als Reduplikation des Adjektivs dankui- „schwarz“ zu erklären), ein Köcher mit dreißig Pfeilen und ein Bogen benötigt. Im Verlauf des Rituals wird der Pestgott Jarri aufgefordert, seine Pestpfeile nicht mehr gegen das Hatti-Land, sondern gegen das Feindesland zu richten: „Danach aber spannen sie den Bogen und legen einen Pfeil (darauf). Die (übrigen) Pfeile aber schüttet er vor sich hin und spricht: „Gottheit, beschieße mit diesem Pfeil das Feindesland. Sobald du in das Hatti-Land kommst, soll dir der Köcher verschlossen sein; der Bogen soll dir weggelassen sein!“ Hier liegt also die gleiche Vorstellung zugrunde wie in der Ilias, wo Apollo seine Pestpfeile in das Heerlager des Agamemnon schießt.
Die Ursachen der Epidemien waren damals wie heute Naturkatastrophen und Kriege. Naturkatastrophen blieben auf relativ kleine Gebiete beschränkt. Die Mobilität der Heere jedoch sorgte dafür, dass Epidemien sich über weite Teile des Vorderen Orients ausbreiten konnten. Dementsprechend ist einem mythologischen Fragment in hethitischer Sprache zufolge der Kriegs- und Seuchengott denn auch der Feind des Wettergottes, den er verflucht, da Krieg und Epidemien die von Teschschub gewährleistete Weltenordnung bedrohen.


Literatur:

Manfred Bietak, Historische und archäologische Einführung, in: Pharaonen und Fremde. Dynastien im Dunkel. 194. Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien ... 8. September – 23. Oktober 1994, Wien, 40-42.

Albrecht Götze, Die Pestgegete des Murschilisch, in: Kleinasiatische Forschungen, hrsg. von F. Sommer und

H. Ehelolf, Band I, Weimar 1930, 161-251.

Volkert Haas, Geschichte der hethitischen Religion, Leiden 1994, 79-103.

Volkert Haas, Kalender- und Notzeitmythen. Betrachtungen zum Mythenzyklus vom Gott Kumari, in: Atti del II Congresso Internazionale di Hittitologia. Pavia 28 giugno 2. Luglio 1993, a cura di O. Carruba et al., Pavia 1995, 183-190.

Horst Klengel, Epidemien im spätbronzezeitlichen Syrien-Palästina, in: Michael. Historical, Epigraphical and Biblical Studies in Honor of Prof. Michael Heltzer, Hrsg. von Y. Avishur und R. Deutsch, Tel Aviv - Jaffa 1999, 187-193.

Bernhard Stern, Medizin, Aberglaube und Geschlechtsleben in der Türkei, Berlin 1903, Band II, 263-275.